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Auf Einladung des Eupener Geschichts- und Museumsverein nahm ich am Dienstag, dem 15. Mai 2012 an einem Film- und Vortragsabend im Haus der Deutschsprachigen Gemeinschaft (Gospertstraße 42) - Foyer Lüttich teil. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins zwischen Venn und Schneifel, Klaus-Dieter Klauser, präsentierte an diesem Abend um 19.3O Uhr die Filmdokumentation "Zwischen den Fronten: St. Vith im Kriegsjahr 1944" und hielt einen einführenden Vortrag zu dem Thema. In diesem vorgeführten Dokumentarfilm lassen Walter Langer und Hugo Lampertz Zeitzeugen zu Wort kommen, die die Vernichtung der Stadt St. Vith im Dezember 1944 miterlebt haben.
Die beschauliche Kleinstadt St. Vith, die nach dem Bau der Eisenbahn zu Beginn des 2O. Jahrhunderts einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, sah sich nach dem Einmarsch der Wehrmacht im Mai 194O in eine andere Welt versetzt, denn nicht mehr Handel und Markt bestimmten den Alltag, sondern Einschränkung, Propaganda und schließlich Zerstörung. St. Vither Einwohner berichten in der Filmdokumentation zunächst über die zunehmende Vereinnahmung des öffentlichen Lebens durch die Partei und über knapper werdende Güter. Wie sie die Ereignisse des Kriegsjahres 1944 mit der ersten Bombardierung, mit der Evakuierung der Bevölkerung und schließlich mit der totalen Zerstörung der Stadt zu Weihnachten erlebten, schildern sie mit beeindruckender Nüchternheit. Die Ardennenoffensive mit ihren zerstörerischen Folgen für die gesamte belgische Eifel, mit unzähligen Toten, Verwundeten und Vermissten stellte den apokalyptischen Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs für den Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft dar. Entsprechend hart und entbehrungsreich war der Wiederaufbau, der sich über ein Jahrzehnt hinziehen sollte. Einige derer, die es miterlebt haben, erinnern sich...
Als die deutsche Wehrmacht in den Morgenstunden des 16. Dezembers 1944 ihre letzte große Offensive im Westen startete, war Eupen seit drei Monaten Etappenstadt. Das V. US-Korps unter General Gerow hatte nach der am 11. September erfolgten Befreiung Eupens in der Villa Peters an der Monschauer Straße sein Hauptquartier eingerichtet. Von dort aus wurden die Truppen befehligt, die auf den Höhen vor Monschau das "Tor nach Eupen" bewachten. Um 5.3O Uhr zerriss Kanonendonner die Stille der Winternacht. Die Deutschen starteten die Operation "Wacht am Rhein". Die Ardennenoffensive begann. Der Operationsplan für das Unternehmen "Herbstnebel" sah vor, bis nach Antwerpen vorzustoßen, um die Truppen der Alliierten zu spalten und ihren Nachschub zu unterbinden. Eine Richtlinie des Plans besagte: "Die 6. Panzerarmee durchbricht in etwa 25 km Breite die z. Zt. schwach besetzte Feindfront bei und südlich von Monschau und stößt bei Eupen-Verviers bis zu Maaslinie Visé- Lüttich vor. "
Im Frontabschnitt Monschau-Höfen standen eine Schwadron amerikanischer Kavallerie unter Oberstleutnant O'Brien längs der Vennbahntraße in Mützenich und ein Infanteriebataillon unter Oberstleutnant Butler in Höfen-Alzen. Die insgesamt 2.OOO Mann bewachten in dem unwegsamen Gebiet das "Tor nach Eupen", das die 326. Volksgrenadierdivision unter Generalmajor Kaschner öffnen sollte, um einem Teil der 6. SS-Panzerarmee den schnellen Vormarsch über Eupen und Verviers zur Maas bei Lüttich zu ermöglichen. In der Nacht zum 16. Dezember hatten die Deutschen in den Wäldern sowie auf den Hügeln und Feldern östlich der Linie Mützenich-Monschau-Höfen eine gewaltige Zahl an Kanonen, Mörsern und Raketenwerfern in Stellung gebracht. Zwanzig Minuten spien diese Geschütze ihre tödlichen Ladungen auf die amerikanische Front bei Mützenich und Höfen. Doch die Kavalleristen O'Briens und die Infanterie Butlers hatten sich gut eingegraben und überstanden das Trommelfeuer meist unbeschadet. Als dann die Grenadiere zum Sturmangriff antraten, schlug ihnen ein heftiges Abwehrfeuer entgegen, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Den Amerikanern gelang es, diesen ersten deutschen Angriff zurück zu schlagen. Am nächsten Tag, dem 17. Dezember, versuchten die Deutschen erneut, die amerikanischen Stellungen zu überrennen, um das "Tor nach Eupen" endlich auf zustoßen. An verschiedenen Stellen gelang den Volksgrenadieren der Durchbruch durch die Linie der amerikanischen Kavalleristen. Doch wieder konnten O'Briens Leute die Angreifer zurückschlagen. General Gerow schickte von Eupen aus Verstärkung nach Mützenich, denn die Monschauer Strafte durfte keinesfalls in die Hände der Deutschen fallen. Auch am 18. Dezember rannten die deutschen Grenadiere vergeblich gegen die Stellungen der ""Torhüter" an. In der Nacht zum 19. Dezember befahl Kaschner einen allerletzten Angriff. Diesmal aber an anderer Stelle. Hitzfelds Monschau-Korps sollte die Straße Kalterherberg-Elsenborn erobern, um über Elsenborn nach Eupen zu gelangen. Doch auch dieses Unterfangen wurde von den Verteidigern zunichte gemacht. Der deutsche Plan, das "Tor nach Eupen" aufzubrechen, war gescheitert. Eupen blieb von größeren Schäden verschont.
Die Etappenstadt Eupen, die im Dezember 1944 mehr amerikanische Soldaten beherbergte als sie Einwohner zählte, war von der Ardennenoffensive nicht direkt betroffen. Gleichwohl herrschte in der Stadt Aufregung und Ungewissheit. Eine Eupenerin notierte in ihrem Tagebuch: "Mit dem Beginn der Ardennenoffensive kamen schreckliche Tage für Eupen. Man stand zum Teil bereit zur Flucht, diesmal zur Abwechselung in Richtung Belgien. Insgesamt lag ein schrecklicher Druck über der Stadt." Ein anderer Zeitzeuge berichtet, dass die Bevölkerung recht gelassen blieb: "Niemand glaubte ernsthaft, dass die Deutschen wiederkommen würden. Man hatte Vertrauen in die Überlegenheit der Amerikaner." Nicht ganz so vertrauensvoll war die Sängerin und Schauspielerin Marlene Dietrich. Sie hielt sich am 16. Dezember, als Wehrmacht und SS-Verbände zum Angriff übergingen, zur Truppenbetreuung in Eupen auf und wohnte im Hotel Schmitz-Roth am Rathausplatz. In der Nacht zum 17. Dezember, einem Sonntag, wurde sie über ihr privates Feldtelefon, das in der Hotelhalle stand, alarmiert. Sie ließ sich vom Küchenpersonal noch einige Butterbrote zurechtmachen und gab dann Fersengeld. Nach Eupen kehrte sie nie zurück.
Die einzigen deutschen Soldaten, die nach Eupen gelangten, war eine Gruppe von fünf oder sechs Fallschirmjägern. Am alten Kammgarnwerk im Ortsteil Hütte ergaben sie sich den Amerikanern, die in der Fabrik untergebracht waren. 12OO Fallschirmjäger waren am Morgen des 17. Dezember über dem Hohen Venn abgesprungen, um die Straßen bei Baraque Michel zu besetzen und für die Verbände der 6. SS-Panzerarmee offen zu halten. Es gelang den Fallschirmjägern jedoch nicht, sich zu sammeln, und so versuchten sie, sich in kleinen Gruppen durchzuschlagen. Nicht weit vom alten Kammgarnwerk wurde auf dem Gebiet der Gemeinde Membach in den 195Oer Jahren ein Gedenkstein errichtet, auf dem zu lesen steht, dass hier im Winter 1944-45 der Eindringling aufgehalten wurde. Auf dem Stein ist ein Panzer zu sehen, so dass man denken könnte, die Spitze der 6. SS-Panzerarmee sei bis hierher vorgedrungen. Eigentlich müsste der Stein in Mützenich stehen, denn dort entschied sich Eupens Schicksal zwischen dem 16. und 19. Dezember 1944.
Textquelle: Mitteilungsblatt (Mai/Juni) des Eupener Geschichts- und Museumsvereins V. o. G. und des Eupener Stadtmuseums