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WELKENRAEDT (B) - Vorführung des Dokumentarfilms über Charles DEKEYSER
Überlebender der KZ Flossenbürg und Sachsenhausen
im Centre culturel de Welkenraedt am 13.10.2014
Sur invitation du Front unique des Associations Patriotiques
de Welkenraedt et Henri-Chapelle
dans le cadre de l'exposition "Welkenraedt, terre de héros - du désespoir à la Victoire"
Centre culturel de Welkenraedt, rue Grétry 10 - Lundi, 13 octobre 2014 - 19.00 heures
Projection de la version française du film documentaire d'Herbert Ruland
Charles DEKEYSER - "J'ai eu une chance à peine croyable"
Welkenraedt (Kulturzentrum) - Bis zum 26. Oktober 2014 versucht die von der „Patriotischen Vereinigung Welkenraedt – Henri-Chapelle“ zusammengestellte Ausstellung Licht in ein dunkles Kapitel der Heimatgeschichte zu werfen. Zwei Dokumentarfilme, die vom wissenschaftlichen Leiter der Arbeitsgruppe „GrenzGeschichte DG“ Dr. Herbert Ruland in Kooperation mit dem Kamerateam St.Vith produziert wurden, werden darüber hinaus im deutschen Original mit französischen Untertiteln gezeigt. „Diese beiden Filme beinhalten eine Menge an Zeitzeugen-Interviews und sind aufgrund ihres persönlichen Charakters für alt und jung gleichermaßen sehr informativ“, erklärte Solange Dekeyser (Foto links) weiter. Zentral wird in diesen beiden Filmen das Leben der beiden belgischen Widerstandskämpfer Charles Dekeyser und François „Rik“ Wolgarten beleuchtet. In einem der beiden Filme, die im Rahmen der Ausstellung im Welkenraedter Kulturzentrum gezeigt werden beschreibt Dr. Herbert Ruland eindrucksvoll die bewegte Lebensgeschichte von Charles Dekeyser, der die Konzentrationslager von Flossenbürg und Sachsenhausen überlebte und sich nach dem Krieg intensiv für die demokratische und freiheitsrechtliche Sensibilisierung einsetzte.
Charles Dekeyser wurde am 23. Mai 1921 in Lille geboren; seine Eltern stammten aus Torhout, zogen 1919 nach Lille und kehrten 1931 nach Belgien zurück. Weil der junge Mann Ende der 1930er-Jahre in Belgien keine Arbeit fand und es als ältester Sohn als seine Pflicht ansah, für den Unterhalt der siebenköpfigen Familie mit zu sorgen, meldete er sich 1940 freiwillig zur Arbeit nach Deutschland. Dekeyser kam zunächst nach Burg bei Magdeburg und sollte dort beim Bau eines Flugplatzes helfen. Ein Kollege, der zum zweiten Mal an einem Montag nicht zur Arbeit erschienen war, verschwand plötzlich und kehrte erst nach sechs Monaten vollkommen abgemagert und kahl geschoren zurück. Er äußerte sich nicht zum Geschehen. Dieser Vorfall veranlasste Charles Dekeyser, seinen Vertrag nicht wie vorgesehen zu verlängern, sondern nach Hause zurückzukehren. Da die Feldpolizei mehrmals bei seiner Mutter vorstellig wurde und die Wiederaufnahme der Arbeit forderte, entschied er sich schließlich, dem Druck nachzugeben. Er kam nach Wetter an der Ruhr bei Hagen zur Firma Hakort/Eiken, wo er in der Panzerproduktion arbeitete. Nach einigen Monaten setzte er sich jedoch wieder zu seiner Familie ab, die zwischenzeitlich auf sein Anraten hin ins französische Reims gezogen war. Am 16. Dezember 1942 geriet Charles Dekeyser am Bahnhof von Roeselare in eine Razzia; die deutschen Besatzer nahmen ihm seinen Pass ab und schickten ihn wieder nach Wetter an der Ruhr – dieses Mal jedoch zur Zwangsarbeit. Als deutsche Arbeiter ihn als Ausländer beschimpften und ihn im Gesicht verletzten, kam es zu einer Schlägerei. Dabei wurde eine Maschine beschädigt, sodass Charles Dekeyser der Sabotage beschuldigt wurde. Er wird im Januar 1942 im Dortmunder Gefängnis inhaftiert und kurz darauf nach Flossenbürg überstellt. Nach dem Krieg konnte Charles Dekeyser seinen Gestapoakten entnehmen, dass er wegen „politischer Bedrohung" festgenommen worden war. Als junger, kräftiger Mann von 22 Jahren kam er in Flossenbürg zuerst zum Verladekommando in den Steinbruch – Schwerstarbeit, bei der immer wieder auf die Häftlinge eingedroschen wurde, und dies unabhängig davon, ob sie arbeiteten oder nur zu arbeiten vorgaben. Später wurde Dekeyser dem Waldkommando zugeteilt, wo Bäume für den Wegebau gefällt wurden. Auch hier herrschten Terror und blanke Willkür. Charles Dekeyser schätzte die Überlebenschancen eines normalen Häftlings in Flossenbürg auf ein halbes Jahr. Sein erster und letzter Gedanke des Tages war stets „Was kannst du dir morgen zusätzlich anschaffen? Wie kannst du morgen an ein Stückchen Brot mehr kommen? Um zu überleben, musste man sich von der Welt abkapseln, Trauer und Wut durfte man nie zeigen. „Du musst sehen, dass der Blockführer nicht sieht, dass du heulst, sonst kriegst du noch was dazu, was dich zum Heulen bringen würde". Als sein Freund und Kollege aus ihm nicht bekannten Gründen erhängt wurde, habe er, der katholisch aufgewachsen war, für immer seinen Glauben verloren. Als Facharbeiter für das KZ Sachsenhausen gesucht wurden, meldete er sich und wurde überstellt. Den Unterschied zwischen beiden Lagern beschreibt er so: „Flossenbürg war ein Krematorium und Sachsenhausen ein Sanatorium. Man soll es nicht übertreiben, das war immerhin auch ein KZ, aber ich meine, das Benehmen der Kapos, der SS, die hier regiert haben, war einmalig. Der Terror in Flossenbürg war unbeschreiblich, nicht zu schildern. Es fällt schon auf, dass Leute, die jahrelang irgendwo in Haft waren und erst in den letzten Kriegsmonaten nach Flossenbürg geschickt wurden, nichts anderes zu erzählen haben als das, was hier passiert ist. Flossenbürg war der Tiefpunkt menschlicher Existenz". Nach der Befreiung bewarb er sich im November 1945 für eine Arbeit bei der britischen Armee. Er wurde genommen und kam zur Zensurbehörde nach Bonn. 1946 zog er nach Welkenraedt. Charles Dekeyser fungierte als Sprecher der ehemaligen Häftlinge in Belgien. 1989 sprach er erstmals über seine Erlebnisse. Auslöser war der Besuch einer Ausstellung in Sachsenhausen. Die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit half ihm, seine Geschichte teilweise aufzuarbeiten. Ab 1995 besuchte er jedes Jahr mit seiner Familie die Gedenkfeier. Auf die Frage, warum er diese schwierige Rückkehr auf sich nehme, antwortet er: „Das weiß ich nicht. Ich mache wahrscheinlich das, was meine Kameraden, die hier verstorben sind, hätten machen wollen. Wir sind in gewisser Weise dafür verantwortlich, das zu sagen, was sie hätten sagen wollen, wenn sie wie wir überlebt hätten". Charles Dekeyser starb am 1. Juni 2011 - Textquelle: GrenzEcho/Wochenendmagazin, Ausgabe vom 18.10.2014