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Sturm auf Eben-Emael
Die Sturmgruppe "Granit", deren Einsatzziel die Werkgruppe Eben-Emael war, wurde am 9. Mai 1940 in der Flakkaserne Hilden bei Düsseldorf alarmiert. Die wurden geführt von Oberleutnant Witzig und jeder dieser Männer war ein ausgezeichneter Pionier, der mit Sprengsachen umzugehen wusste. In elf Lastenseglern sollte die Sturmgruppe an den Feind gebracht werden. Die Piloten dieser Segler, die eine genaue Punktlandung ausführen mussten, waren die besten Segelflieger, die es in Deutschland gab. Direkt nach dem Alarm trommelten die Truppführer ihre Männer zusammen und schon ging es in schneller Fahrt nach Köln-Ostheim, dem Startplatz der Gruppe. Dort wurden Bereitschaftsquartiere bezogen und anschließend die Lastensegler beladen. Folgen wir hier der Schilderung von Oberjäger Peter Arent, der den Trupp 3 dieser Sturmgruppe führte:
"Um 21:00 Uhr hatten wir Truppführer Oberleutnant Witzig die Klarmeldungen abgegeben und ich versammelte meine Männer noch einmal um mich, um ihnen folgendes zu sagen: Kameraden, morgen früh geht es in den Einsatz! Wir müssen unter Beweis stellen, dass wir unsere Zeit nicht vertan haben und dass wir alles, was wir lernen mussten auch gelernt haben. Mit diesen Worten entließ ich sie in die Quartiere. Am anderen Morgen war um 2:45 Uhr Wecken. Um 3:30 Uhr wurde angetreten und zwar in voller Ausrüstung. Oberleutnant Witzig sagte noch einige Worte zu uns, dann gab er den entscheidenden Befehl: An die Maschinen!
(Quelle: Chronik Zweiter Weltkrieg, Christian Zentner)
Wir gingen zu den Maschinen hinüber, einer hinter dem anderen kletterten wir in der vorgesehenen Reihenfolge hinein. Pünktlich um 4:30 Uhr rollten die elf Schleppmaschinen an. Nacheinander hoben die elf rießigen Segler ab und ließen sich in den Morgenhimmel emporziehen. Als wir die elf Maschinen mit der in Köln-Butzweilerhof gestarteten Gruppe "Eisen" trafen, kam es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall. Ausgerechnet der Segler mit dem Trupp 11 und dem Sturmgruppenführer Oberleutnantt Witzig an Bord musste eine scharfe Ausweichbewegung fliegen, um nicht mit dem Schleppseil, der anderen Maschine zu kollidieren. Dabei riß das Schleppseil und der Segler mit dem Sturmgruppenführer kam gerade noch über den Rhein zurück. Später fiel auch noch Trupp 2 aus und landete bei Düren. Ich wandte mich an meinen Kameraden Merz und schärfte ihm noch einmal ein, dass er den Trupp übernehmen solle, wenn ich ausfallen würde. Er nickte mir zu. Oberjäger Sapper, der unseren Segler flog, pfiff eine Melodie vor sich hin. Der war knochenhart! Der flog so, als ginge ihn dies alles überhaupt nichts an."
Dann meldete die Schlepp-Ju (JUNKERS), dass sie am Ziel seien. Oberjäger Sapper klinkte seinen Segler aus und schwebte nun frei, um in immer schmaleren Spiralen der Erde entgegenzujagen. Von nun an waren sie völlig aus sich allein gestellt. Sie sahen ihr Ziel und Arent sah drei, vier Segler schemenhaft an ihrem Segler vorbeistreichen. Die Erde kam rasendschnell heraufgeflitzt. Noch im Abfangen setzte der Segler von Trupp 3 nur 50 Meter vom Zielobjekt entfernt auf. "Raus und ran!" rief Peter Arent.
Sie griffen nach den Sprengmitteln, rannten durch das einsetzende Feuer und sahen die Kameraden rechts und links ebenso laufen. Peter Arent hörte das heftige Atmen von Merz hinter sich. Merz trug die schwere Hohlladung. Sie erreichten die Panzerkuppel, die ihr Ziel war. Leuchtspur jagte über das Plateau hinweg. Die Ladung wurde angesetzt und gezündet. Mit einem donnerartigen Schlag wurde ein Loch in den Panzerstahl gesprengt. Sie drangen in die erste Kasematte ein. MPi-Feuer ratschte und wenig später war Kasematte 12, ihr Objekt, in ihrer Hand. Die Pioniere dieser Gruppe richteten sich hier zur Verteidigung ein. Von den neun übrigen Seglern, die am Ziel angelangt waren, und planmäßig um 5:20 Uhr auf dem Plateau niedergingen, erreichten sieben die befohlenen Ziele. Ganze 55 Männer also waren am Zielgebiet niedergegangen. Diese sieben Trupps griffen in den ersten zehn Minuten des Kampfes um die Werkgruppe zehn Feindwerke an und zerstörten sie. Sieben Panzerkuppeln wurden geknackt, zwei Scheinkuppeln ebenfalls. Zwölf 7,5 cm Geschütze vernichtet und zwei 12 cm Geschütze außer Gefecht gesetzt. Oberfeldwebel Wenzel, der wenige Minuten nach der Landung wusste, dass Oberleutnant Witzig nicht auf der Werkgruppe war, übernahm das Kommando und dirigierte die einzelnen Trupps an die noch zu überwindenden Punkte. Um 5:40 Uhr ließ er einen Funkspruch an die Sturmabteilung Koch tasten: "Von Sturmgruppe Granit: Objekt erreicht. Alles in Ordnung!"
Oberjäger Peter Arent erhielt von Wenzel den Befehl, die Grabenstreiche Werk 4 mit den beiden PaK außer Gefecht zu setzen. Mit einer 50 Kilo-Ladung arbeiteten sie sich von der Seite an dieses Werk heran, während durch Grabenstreiche die Feuerstöße der belgischen MG bis zum Albertkanal hinunterpeitschten. Die Beobachtungskuppel, von der aus die beiden MGs eingewiesen wurden, war wenige Minuten darauf erreicht. Sie wurde mit der schweren Hohlladung völlig zerstört. Die Besatzung fiel. Teddy Wenzel, der sein Handwerk als Pionier in Königsberg erlernt hatte, kämpfte mit letzem persönlichen Einsaz. Er wurde der "Kuppelknacker von Eben Emael". Nur eine Unterlassung brachte ihm um das mehrfach verdiente Ritterkreuz. Um 8:35 Uhr ließ Oberfeldwebel Wenzel den zweiten Funkspruch durchtasten. Er lautete: "Eben Emael: Feind wird weiter zurückgeschlagen. Höhen werden besetzt!"
(Quelle: Chronik Zweiter Weltkrieg, Christian Zentner)
Nur fünf Minuten vor diesem Funkspruch war ein einzelner Lastensegler auf der Werkgruppe Eben Emael gelandet. Es war der Segler von Oberleutnant Witzig. Er hatte durch einen sofortigen FT-Spruch eine weitere Ju 52 angefordert. dieser war es gelungen, auf dem Acker zu starten und den Segler hochzuschleppen und durch das dichte Feindfeuer ans Ziel zu bringen. Oberleutnant Witzig war überglücklich. Er war wieder bei seinen Männern, er konnte bei ihnen sein in der schwersten Bewährungsprobe ihres Lebens. Er übernahm wieder die Führung. Oberjäger Arent beteiligte sich noch an dem von Werk 12 auf das noch schießende Werk 3 angesetzten Spähtrupp, der jedoch aufgerieben wurde. In den folgenden Stunden ging schweres und schwerstes Feuer auf die Werkgruppe nieder und die Sturmgruppenmänner mussten sich in den eroberten Kasematten und Kuppeln verkriechen.
Von seinem Gefechtsstand aus dirigierte Hauptmann Koch die Sturzkampfflieger und Zerstörer dorthin, wo der Gegner versuchte, die Fallschirmjäger durch massierte Angriffe auszuräuchern. Als es Abend wurde, war der größte Teil der Werke außer Gefecht gesetzt. Peter Arent erhielt von Oberleutnant Witzig den Befehl, Werk 12 zu räumen, da die Gefahr eines nächtlichen Feindangriffes dort bestand. Vor Verlassen ließ er jedoch Werk 12 mit einer 50 Kilo-Sprengladung in die Luft jagen. Die Sprengung und gleichartige Sprengungen der Werke 13 und 19 lähmten - wie Gefangenenaussagen später ergaben - den Widerstandswillen der belgischen Besatzung, die glaubte, die Deutschen seien bereits in den Hohlgängen der Kasematten.
Am nächsten Morgen erreichten die Pioniere des Pi.Batl. 51 unter Oberstleutnant Mikosch die Werkgruppe. Wenig später gelang es dem Oberfeldwebel Portsteffen im Alleingang zu den Fallschirmjägern durchzubrechen und Verbindung aufzunehmen. Er schloß sich den Verteidigern an, die von dem Oberfeldwebel hörten, dass Einsatzgruppen nahe seien. Gegen 12:00 Uhr des 11.05.1940 erreichten weitere Stoßtrupps das Ziel und dann stürmte Oberleutnant Marquard, Chef der 6./IR 151 von Opcanne aus, das er im Kampf erreicht hatte, bis zum Nordeingang von Eben Emael vor. Er knackte den Ring um das Fort auf. Ein heftiger Kampf entbrannte noch einmal, in den wiederum die Stukas eingriffen, die bereits das 2. belgische Greandierregiment schwer getroffen und vernichtet hatten.
Dann auf einmal ertönte ein lautes Trompetensignal. Aus Werk 3 wurde eine weiße Fahne hinausgestoßen und im selben Augenblick stellten die noch schießenden Werke 17, 35 und 23 das Feuer ein. Ein Parlamentär erschien bei Hauptmann Hauboldt, dem Chef der 14./IR 151, die benfalls in den Kampf eingegriffen hatte. Er bot die Kapitulation an. Die ersten belgischen Soldaten kamen aus den Kasematten ins Freie. Ihnen folgten über 1.000 weitere Soldaten und Offiziere. Eine der stärksten und modernsten Werkgruppen der Kriegsgeschichte hatte kapituliert. Major Jottrand versicherte Oberstleutnant Mikosch ehrenwörtlich, dass im Werk selber keine Minen oder Sprengladungen angeschlagen seien.
Um 16:00 Uhr des 11.05.1940 verließ Strumgruppe "Granit" unter Führung von Oberleutnant Witzig Eben Emael und fuhr nach Maastricht zurück. Von den insgesamt eingesetzten 85 Soldaten waren 6 gefallen; 20 von ihnen wurden verwundet. In seinem Abschlußbericht über diesen Einsatz schrieb Rudolf Witzig, inzwischen Hauptmann geworden:
"Gründe für die Übergabe der Werkgruppe sind:
a) Die völlige moralische Erschütterung, verbunden mit der Angst, die Deutschen wären bereits in den Kasematten.
b) Die Lähmung der Werkgruppe durch Verlust der Masse der Werke und durch die auftretende Unsicherheit über die Außenanlagen.
c) Das Versagen jeglicher Hilfe von außen, außer dem Artilleriefeuer. Ein Gegenangriff in ausreichender Stärke wurde überhaupt nicht geführt. Von der (laut späterer Gefangenenaussage) hierfür angeforderten Infanterie, sind nur 40 Mann eingetroffen, von denen 12 zurückkamen."
Quelle: Volkmar Kühn / Deutsche Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg / Grüne Teufel im Sprungeinsatz und Endkampf 1939 - 1945 / ISBN-13: 978-3-88189-635-1 und ISBN-10: 3-88189-635-X