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Da ich für die Stadtverwaltung Eupen arbeite parke ich Tag ein und Tag aus auf dem Parkplatz des ehemaligen KNEIPP-Kurhauses bzw. Haus Nazareth. Auch dieses Gebäude hat eine Geschichte und ein Kapitel hiervon betrifft den Zweiten Weltkrieg. Irgendwann habe ich das Heft "Hilfe an Leib und Seele" in die Hände bekommen und darin Interessantes zum vorgenannten Gebäude gefunden. Diese Informationen habe ich kurz zusammengefasst und berichte auf dieser Seite davon.
In einem nicht datierten, wahrscheinlich aus den Jahren 1895-1896 stammenden "Prospect der Kneipp'schen Wasserkuranstalt Eupen" wurden die Vorzüge der Stadt an der Weser und der neuen Kureinrichtung dortselbst wie folgt angepriesen:
"…Eupen mit ± 15.000 Einwohnern liegt in einer zum Theil gebirgigen und waldreichen Gegend, welche zu genussreichen und die Gesundheit befördernden Spaziergängen und grösseren Ausflügen Gelegenheit bietet; es ist nur wenige Minuten von der belgischen Grenze und 1,5 Stunde von der Talsperre der Gileppe, dem vielbesuchten sogenannten achten Weltwunder entfernt, steht durch die Eisenbahn von allen Seiten mit dem übrigen Deutschland, Belgien und Holland in Verbindung, vereint mit den Vortheilen, welche ein Stadtaufenthalt bietet, die Annehmlichkeiten des Landlebens, die Umgegend, soweit sie nicht hügelig ist, zeigt sich mit immergrünen Grasmatten bedeckt; Milch und Butter sind naturgemäss hier von der besten Qualität, ebenso der von Prälat Kneipp als so heilsam empfohlene Toppenkäse. Eupen besitzt 7 katholische Kirchen und Kapellen, eine protestantische Kirche, ein Progymnasium, ein Mädchenpensionat und zwei höhere Töchter-Schulen. Die nach dem Kneipp'schen System eingerichtete Wasser-heilanstalt liegt ziemlich an der Grenze der Stadt, nicht durch Häuser eingeschlossen, ± 5 Minuten vom Bahnhof entfernt. Die Abtheilung für Damen befindet sich in einem geräumigen Hause, umgeben von Gärten und Weisen; das Haus hat im Erdgeschoss die gemeinschaftlichen Räume für die Kurgäste, wie Speisezimmer, Sprechzimmer etc., in den oberen Stockwerken die Schlafzimmer. Der volle Preis für eine Person beträgt hier 2-4 Mark pro Tag. Die Badeanstalt für Herren befindet sich auf demselbern Terrain, hat aber keine Wohnräume. Indessen befinden sich 100-200 Schritte von der Anstalt entfernt Hotels I. und II. Ranges und in den benachbarten und übrigen Strassen der Stadt Pension in Privathäusern, wo weibliche und männliche Kurgäste für einen billigen Preis, von 2 M. an, passendes Unterkommen finden können. Die barmherzigen Franziskaner-Schwestern, welche Verpflegung und Verabreichung der Wasseranwendungen besorgen, wohnen in der Anstalt selbst, am Kloster…, Arzt und Bademeister in der nahen Gospertstraße. Für ärztliche Behandlung einschliesslich der Benutzung der Wasserheilanstalt werden wöchentlich 4 Mk., für die erste Consultation 3 Mk. besonders berechnet…"
Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und die Annexion Eupen-Malmedys durch das Deutsche Reich am 18. Mai 1940 brachten die Kneippanstalt in eine "außergewöhnliche" Lage. Vorerst bot das Haus den durchziehenden deutschen Truppen Unterkunft. Auf Grund des Wohnungsmangels wurden die freien Zimmer und die Verpflegung den zugezogenen Beamten zur Verfügung gestellt. Nach Öffnung der Grenzen baten unablässig Familien aus den Städten Aachen, Köln, Düsseldorf, ihnen Unterkunft und Pflege zu gewähren, da sie unter nächtlichen Luftangriffen gelitten hatten. Da die Anstalt in dieser Zeit wie von selbst in der beschriebenen Weise dauernd in Anspruch genommen wurde, konnte der eigentliche Zweck der Anstalt nur schwer erfüllt werden. Anstelle von Rektor De Wit, der Eupen beim Einmarch der deutschen Truppen verlassen hatte, fungierte Pater Creusen als geistlicher Betreuer der Kneipanstalt. Der neuerliche Nationalitätenwechsel blieb nicht ohne Einfluß auf die Vermögensverwaltung der Kneippanstalt. Auf Grund einer besonderen Verfügung druften die Vereinigungen ohne Erwerbszweck nach belgischem Muster für eine Übergangszeit bestehen bleiben. Ende 1942 wurde die Kneippanstalt den Bestimmungen der "Anordnung zur Lenkung des Fremdenverkehrs im Kriege" unterworfen. Dies bedeutete, dass Fronturlauber, ferner Schwerkriegsbeschädigte, Volks-genossen in kriegswichtiger Beschäftigung und die ihnen gleichgestellten Personen vor anderen Reisenden unterzubringen sind. Die Begrenzung der Beherbergungszeit auf höchstens 3 Wochen für die Zeit eines Jahres ab 20. April 1942 ist genau einzuhalten. Die Eintragungen in die Dritte Reichskleiderkarte sind von den Beherbergungsbetrieben ausnahmslos durchzuführen. Infolge der politischen Zeitumstände bilden die Jahre 1940 bis 1944 unzweifelhaft eine Zäsur, deren Auswirkungen auch noch in den ersten Nachkriegsjahren spürbar waren, als es galt, die unterbrochenen Beziehungen zu den belgischen Erholungssuchenden wieder anzuknüpfen. Dabei leistete der schon kurz nach dem Einmarsch amerikanischer Verbände im September 1944 nach Eupen zurückgekehrte Rektor De Wit wertvolle Mittlerdienst. Am 1. September 1952 erteilte die Permanentdeputation dem Kneippkurhaus "Nazareth" die Anerkennung als "clinique hydrothérapique". Das Gesundheitsministerium schloss sich dieser Entscheidung an. Wie so manche andre Gruppierung scheint auch die Eupener Kneippbewegung im ersten Nachkriegsjahrzent Schwierigkeiten gehabt zu haben, wieder Tritt zu fassen.
Während des Krieges hatte sie unter der Bezeichnung "Deutsche Kneipp-Vereinigung, Eupen E.V." den Badebetrieb in der Herrenabteilung, die am 10. Mai 1942 an Bademeister Horst verpachtet worden war, im Rahmen des Möglichen aufrechterhalten.
(Quelle: Hilfe an Leib und Seele, 100 Jahre Kneippkurhaus "Nazareth" in Eupen, Autor Alfred Minke)