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Der Schlieffen-Plan war ein strategisch-operativer Plan des Generalstabs im Deutschen Kaiserreich. Er wurde nach seinem Autor Alfred Graf von Schlieffen benannt und bildete eine Grundlage der deutschen Operationen zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Der 1905 entwickelte Schlieffen-Plan sah für den Fall eines möglichen Zweifrontenkrieges vor, zunächst die Masse des Heeres im Westen einzusetzen und mit Schwerpunkt auf dem Nordflügel durch das neutrale Belgien den linken französischen Flügel zu umfassen und das französische Heer gegen die Schweiz zu drängen. Erst danach sollte unverzüglich der Schwerpunkt der Truppen nach Osten verlegt werden. Dieser Plan wurde 1914 nur in abgeschwächter Form angewendet und nicht konsequent durchgeführt. Schlieffens Absicht war es, einen Zweifrontenkrieg des Deutschen Reichs gegen Frankreich und Russland zu verhindern.
Durch die Weigerung Wilhelm II., 1891 den Rückversicherungsvertrag von 1887 zu verlängern, verschlechterte sich das ehemals gute Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Russland drastisch. Russland schloss deshalb ein Bündnis mit Frankreich, weshalb sich der deutsche Generalstab nun auf einen Zweifrontenkrieg vorbereiten musste. Schlieffen arbeitete von 1892 bis 1905 einen Plan aus, der eine schnelle deutsche Mobilmachung vorsah und darauf setzte, Frankreich durch einen schnell durchgeführten Angriff zu schlagen, bevor die russischen Truppen vollständig mobilisiert werden konnten.
Da Frankreichs Ostgrenze von Verdun bis Belfort durch die Barriere de fer geschützt wurde, plante Schlieffen ab 1897 den Angriff auf Frankreich in einer schnellen Zangenbewegung über Paris nach Südosten. Die Bewegung sollte unter Verletzung der Neutralität Belgiens und der Niederlande durchgeführt werden, was unweigerlich zum Kriegseintritt Großbritanniens führen würde. Für den notwendigen Transport der Truppen wurden in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine ganze Reihe strategischer Eisenbahnen gebaut. Um 1905 wurde der Plan erneut überarbeitet. Durch die Schwächung Russlands im Russisch-Japanischen Krieg wurde jetzt von einem Einfrontenkrieg ausgegangen.
Als Schlieffens Verabschiedung aus Altersgründen beschlossen war, legte dieser seinen Plan noch einmal in Form einer Denkschrift nieder. Dieser Plan sah vor, 7/8 der deutschen Truppen nördlich der Festung Metz aufzustellen und lediglich geringe Kräfte auf dem linken Flügel zu konzentrieren. Unter Verletzung der holländischen, belgischen und luxemburgischen Neutralität sollten die französischen Festungen umgangen werden. Nach der Umfassung ihrer linken Flanke sollte die französische Armee geschlagen werden. Zog sich diese zurück, war geplant, sie gegen ihre eigene Festungsfront zu drängen und dort zu zerschlagen. Der Plan von 1905 war hauptsächlich auf einen Einfrontenkrieg ausgerichtet, sah aber den Zweifrontenkrieg vor. Die Gefahr eines Krieges mit Großbritannien reduzierte Schlieffen auf den Kampf gegen ein Expeditionskorps.
Als Alfred Graf von Schlieffen 1905/06 aus dem Amt des Generalstabschefs ausschied, hinterließ er seinem Nachfolger Helmuth Johannes Ludwig von Moltke die Denkschrift, welche die Grundzüge des Plans enthielt. Obwohl Schlieffen als Zivilist mehrfach sein Konzept aktualisierte, ging die eigentliche Ausarbeitung der operativen Feldzugspläne von Moltke aus, welcher, anders als von Schlieffen vorgesehen, den linken Heeresflügel zu Ungunsten des Rechten verstärkte. Für den jüngeren Moltke war der Plan offenbar zu kühn. Moltke („der Jüngere“) passte den Schlieffen-Plan der veränderten strategischen Lage an. Der offensive rechte Flügel, der durch Belgien stoßen sollte, behielt zwar die im ursprünglichen Plan vorgesehene Stärke, zusätzliche Kräfte wurden aber dem defensiven linken Flügel zugeteilt. Entgegen Schlieffens Rat wurde vom Jahre 1909 ab das Kräfteverhältnis zwischen dem rechten und dem linken deutschen Flügel geändert. Im Plan des Grafen Schlieffen war dieses Verhältnis noch 7:1, nun verschob es sich auf 3:1. Des weiteren wurde der ohnehin zu schwache rechte deutsche Heeres-flügel während des Vormarsches 1914 noch weiter von Truppen entblößt, weil man sich - auch hier gegen die Darstellung Schlieffens - zu sehr von den Festungen aufhalten ließ, deren Belagerungen Truppen banden, und außerdem zur Stärkung des Ostens vorzeitig zwei Korps abzog, ohne dass diese angefordert wurden. Ferner sah Moltke von einem Angriff auf die Niederlande ab, da er diese als „Luftröhre“ behalten wollte, um von dort im Falle eines längeren Krieges Nahrungsmittel zu importieren. Man glaubte im Großen Generalstab irrtümlich, dadurch den Kriegseintritt Englands vermeiden zu können.
Die Planungen des Generalstabes gingen gemäß der vorherrschenden strategischen Doktrinen davon aus, weit nach Frankreich hinein vorzudringen und die französische Armee in einer großen Schlacht zu besiegen. Für einen solch tiefen Vorstoß benötigte das deutsche Heer aus logistischen Gründen allerdings eine breitere militärische Basis als es die deutsch-französische Grenze war. Diese Notwendigkeit sowie die beabsichtigte Umgehung der südlichen französischen Festungsgürtel waren der Grund für die Besetzung Belgiens. Nach Ansicht der deutschen Heeresleitung konnte der Krieg gegen Frankreich nur dann offensiv geführt werden, wenn Belgien besetzt werden würde.
In der Julikrise 1914 sollten sich die Grundannahmen des Schlieffen-Plans negativ auswirken. Da er auf die langsame russische Mobilisierung setzte, geriet das Deutsche Heer unter Zeitdruck, als Zar Nikolaus II. am 30. Juli 1914 die russische Mobilmachung anordnete. Zwar sollte das mobilisierte Heer nicht sofort Kampfhandlungen vollziehen, doch das Deutsche Reich war nun gezwungen zu handeln. Wollte man den Schlieffen-Plan erfolgreich durchführen, musste man dem Heer unmittelbar den Marschbefehl erteilen, um nicht von einem bereits mobilisierten Russland angegriffen zu werden, während noch gegen Frankreich gekämpft wurde. Dies verhinderte endgültig eine diplomatische Lösung. In der Praxis schlug der Plan fehl. Schlechte Nachrichtenverbindungen, eigenmächtige Entscheidungen der einzelnen Armeeführer, besonders am rechten Heeresflügel, und mangelnder Durchsetzungswille bei der Führung des Heeres führten Anfang September 1914 in der Schlacht an der Marne zum Scheitern der deutschen Westoffensive und damit des Schlieffen-Plans. Außerdem drang die russische Armee schneller als angenommen mit teilmobilisierten Kräften in Ostpreußen ein. Dadurch geriet das Deutsche Reich zu Beginn des Krieges in große Bedrängnis.
Insgesamt ist der Schlieffen-Plan als einziger Kriegsplan des Generalstabs eine Folge des direkten Zusammenwirkens von militärischer Führung und Oberbefehlshaber, dem Kaiser Wilhelm II., die eine Mitwirkung der Reichsregierung und zumal des Reichskanzlers nicht notwendig machte. Der Chef des Großen Generalstabs hatte seit 1871 Immediatrecht beim Kaiser (Recht zum jederzeitigen Vortrag). Vor 1890 hatte es eine Fülle von militärischen Planungen gegeben, die aus der Feder des älteren Moltke stammten und beispielsweise einen Offensivkrieg im Osten vorsahen bei gleichzeitiger strategischer Defensive im Westen. Dieser unter dem Begriff „Großer Ostaufmarsch“ bekannte Plan wurde ab 1913 nicht mehr weiterverfolgt, hätte aber 1914 einen begrenzten regionalen Krieg im Osten ermöglicht. Somit war der Schlieffen-Plan 1914 der einzige deutsche Aufmarschplan, der in keiner Weise zum politischen Szenario passte.
Abgesehen von den militärischen Unzulänglichkeiten des Schlieffenplans ist hervorzuheben, dass Schlieffen und sein Nachfolger Moltke aus rein taktischen Erwägungen bereit waren, die Neutralität Belgiens und Luxemburgs zu verletzen. Die Verletzung der belgischen Neutralität, die von den europäischen Großmächten (u.a. auch von Preußen) garantiert worden war, musste zwangsläufig den Kriegseintritt Englands herbeiführen und damit das Deutsche Reich von Anfang an in eine politisch wie militärisch höchst schwierige Situation bringen. Allerdings sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass England 1916 auch keinerlei politische Rücksicht zeigte, als es um die Frage der Neutralität Griechenlands ging. Die Entscheidung der Militärs ist von den Reichskanzlern Bülow und Bethmann Hollweg zu keinem Zeitpunkt problematisiert oder verhindert worden.
Vom militärischen Standpunkt aus war der Plan äußerst riskant:
Die Annahme, Frankreich – wie 1870 – innerhalb weniger Wochen schlagen zu können, berücksichtigte weder die Tatsache, dass es sich damals um eine sehr günstige Konstellation gehandelt hatte, noch die neueren waffentechnischen Entwicklungen, welche den Verteidiger in einen Vorteil setzten und die schon seit dem russisch--japanischen Krieg 1905 abzusehen waren.
Selbst 1870 hatte es nach dem Sieg bei Sedan drei Monate gedauert, Frankreich, das damals allein stand, zur Kapitulation zu bewegen. Während dieses Zeitraums waren die siegreichen Truppen vor Ort gebunden. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass Frankreich, von England und Russland unterstützt, diesmal schneller kapitulieren würde.
Seit 1897 wurde die Flotte gegenüber dem Heer bei der Zuteilung von Mitteln bevorzugt – u.a. auch gegen den Protest Schlieffens. Das hatte zur Folge, dass Frankreich zu Kriegsbeginn mehr Soldaten zur Verfügung hatte als das Deutsche Reich. Unter diesen Umständen war der Erfolg eines 'Blitzsiegs' unrealistisch.
Der deutsche Generalstab glaubte, Russland benötigte 6-8 Wochen zur Mobilisierung. Die Möglichkeit, dass dies schneller geschehen könnte, war niemals ernsthaft diskutiert worden.
Bereits das Originalkonzept des Plans von Schlieffen konnte die logistischen Probleme, die aus dem vorgesehenen konzentrierten und rapiden Vormarsch von etwa 30 Armeekorps auf engem Raum entstanden, letztlich nicht befriedigend lösen.
Im Zweiten Weltkrieg plante das Oberkommando des Heeres (OKH) eine Operation, die dem Schlieffen-Plan des Ersten Weltkriegs ähnlich war. Der Plan verfolgte das Ziel, den Alliierten mittels eines schnellen Angriffs durch Belgien in die Flanke zu fallen. Dabei sollten die gegnerischen Heere getrennt und zurückgetrieben, jedoch nicht vollständig vernichtet werden. Dieser Plan wurde aber dann zugunsten des letztendlich erfolgreichen Sichelschnittes aufgegeben.